KONY 2012 – jeder, der auf sozialen Netzwerken oder im Web 2.0 unterwegs ist, ist um dieses Thema und Video kaum herum gekommen. Auf facebook verbreitet es sich, wie sonst nur von Viren generierte Beiträge. Doch was hat es mit diesem Video auf sich?

Grob gesagt handelt es von den Gräueltaten von Joseph Kony in Uganda und will diesen Verbrecher auf der ganzen Welt bekannt machen, was den Druck auf seine Festnahme erhöhen soll. Auf den ersten Blick ein recht nobler Gedanke, weshalb das Video auch so häufig und gerne allerorts geteilt, geliked und positiv kommentiert wird. Doch schon das Video an sich macht den aufmerksamen Zuschauer an einigen Stellen stutzig. Gegen Ende des Videos zum Beispiel wird ein sogenanntes „Action Kit“ beworben mit den Worten: „Everything you need is in a box called the action kit“. Darin enthalten sind Armbänder („bracelets“) mit ID-Nummer, die man auf einer Website eingeben soll, um Kony bekannt zu machen („Input the number and enter the mission to make Kony famous“). Da muss man sich als mündiger Zuschauer dann doch fragen – muss ich wirklich Dinge wie dieses „Action Kit“ von jener Organiation kaufen, um auf die Gräueltaten von Kony aufmerksam zu machen oder unterstütze ich damit eine fadenscheinige Organisation? Was bringt es für den Kampf gegen das Unrecht  – ausgehend von Joseph Kony – wenn Leute auf der ganzen Welt (nach den Visionen, die in diesem Video beschrieben sind) Armbändchen mit Nummern tragen? Natürlich könnte man sagen, dass jenes Geld durch den Verkauf der Action Kits und sonstigem „Zubehör“ der Organisation „Invisible Children“ zu Gute kommt – doch hier liegt schon das nächste Problem: So wird auch die Spendenpolitik der Organisation mittlerweile hinterfragt.

„Im vergangenen Jahr steckten sie lediglich ein Drittel der eingenommenen acht Millionen US-Dollar in Aufbauhilfe in Uganda – sehr wenig für eine vermeintliche Hilfsorganisation. Der Rest floss in die Organisations- und Lobbyarbeit. Darüber hinaus lassen die Verantwortlichen wenig Zweifel daran aufkommen, dass sie eine militärische Aktion gegen die LRA (und damit zusätzliche Opfer) in Kauf nehmen und aktiv unterstützen. Auf Bildern posieren sie mit Waffen vor der ugandischen Armee, die ihrerseits nicht frei von Vorwürfen ist. Die politische Agenda der Macher ist daher bestenfalls fragwürdig.“ Quelle: Zeit-Blog

D.h. das eingenommene Geld wird größtenteils wieder dazu verwendet, solche Action-Kits und ähnlichen Kram herzustellen – oder eben das am Anfang erwähnte und beliebte Video. Das aber hilft den in dem Video hervorgehobenen Kindern – zumindest direkt – keinen Schritt weiter, sondern dient nur der Popularität dieser Organisation und jener Kampagne.

Im Anschluss an die Werbung für das Action-Kit und der Aufforderung einer Spende wird eine Massenaktion bekanntgegeben, an der möglichst alle Befürworter von „KONY 2012“ teilnehmen sollen. Dabei sollen am 20.4.2012 auf der ganzen Welt KONY 2012 Plakate (übrigends wieder auf der „invisible children“-Homepage zu kaufen) öffentlich aufgehängt werden. Mit emotionaler Musik unterlegt werden dabei Bilder von jungen Leuten gezeigt, die Plakate, Sticker und Ähnliches nachts in ihrer Stadt anbringen.

Anschließend soll noch gezeigt werden, dass soziale Netzwerke wie facebook Leuten auf der ganzen Welt helfen können derartige Vorhaben ganz einfach umzusetzen – indem man dieses Video teilt.

Den ganzen Film über wird dabei emotionalisiert und es werden gerne Kinder eingesetzt, die zeigen sollen, dass es bei diesem Projekt auch um deren Zukunft geht.

Man muss das Ganze aber auch mal nüchtern sehen – nur durch das Teilen dieses Videos ohne Reflexion ist noch niemandem geholfen. Leute schauen es sich an – werden emotionalisiert – teilen das Video für eine vermeintlich gute Tat – und das wars. So zumindest dürfte es bei einem Großteil der Betrachter ablaufen. Leider wird diese Aktion dadurch – so schnell sie auch gekommen ist – wieder verschwinden. Irgendwann haben die meisten facebook-User das Video gesehen und schon bald wieder vergessen – weil eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Joseph Kony einfach fehlt.

Andererseits muss man aber auch sagen, dass der Grundgedanke diese Videos – nämlich Joseph Kony bekannt zu machen – funktioniert hat. Ohne diese Video wäre es wohl kaum zu einer solchen Auseinandersetzung mit Kony gekommen. Meiner Meinung nach sollte aber deswegen niemand Geld an jene Organisation schicken, sondern man sollte sich erst mal selbst mit dem Thema auseinandersetzen und sich über jene Organisation und deren Ziele genauer informieren.

Eine kritische Ausseinandersetzung mit Kony über die Grenzen von „KONY 2012“ hinaus kann einer richtigen NGO ja nur recht sein, da es ihr mehr ums Thema als um den eigenen Profit geht.

Lieber gegen Joseph Kony als für KONY 2012! Es gibt genug andere Organisationen mit ähnlichen oder gleichen Zielen und Einsatzgebieten, die vertrauenswürdiger sind und das gespendete Geld nicht größtenteils zu Werbezecken raushauen, um emotionale „Hochglanzvideos“ zu produzieren, die bald wieder in Vergessenheit geraten werden.

 

UPDATE (9.3.2012, 12:05 Uhr): Das Thema Kony 2012 ist mittlerweile sogar auf die etablierten Medien wie Fernsehen „übergeschwappt“ und wird auch dort kritisch beleuchtet. So ist in der Nachtausgabe der Tagesschau und im ZDF-Morgenmagazin Kony 2012 ein Thema. Auch diverse Blogeinträge wie der bei Spreeblick, Satzgrund, mahrko oder Alex Miller von Vice – um nur einige zu nennen – gehen kritisch mit dem Thema Kony 2012 um. Ich denke gerade diese Diskussion verhilft dem eigentlichen Ziel des Videos – Joseph Kony bekannt zu machen – zu noch mehr Aufmerksamkeit. In meinen Augen ist diese Entwicklung als sehr positiv anzusehen.

UPDATE 2 (15.3.2012 14:30 Uhr): Bei Zapp dem Medienmagazin lief gestern Abend ein sehr interessanter Beitrag zu diesem Thema:

Eine positive Nachricht auch aus dem Kongo. Der Rebellenführer Thomas Lubanga, der ebenfalls Kindersoldaten einsetzte, wurde vom internationalen Strafgerichtshof in Den Haag schuldig gesprochen.